»Zumindest im Groben müssten diese Fakten im Bewusstsein der Bundesbürger verankert sein. Sind sie natürlich nicht. Dafür sorgen die regierungsfrommen und ansonsten meist belanglosen „Informationsangebote“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, voran die der Tagesschau. Immerhin aber mal eine gute Nachricht: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk verliert an Vertrauen. Jetzt die schlechte: Den dortigen Kriechtier-Journalismus hält auch das nicht auf.
Sanktionen und der Ruf nach ihnen, beide sind Herrschaftsmittel. Die Prügel und die Drohung mit dem Prügel. Sie bedienen das widerliche Bedürfnis, die Unterprivilegierten auszugrenzen, zu diskriminieren und zu den Sündenböcken der Nation zu machen. Das zeigt sich an Umfragen, wonach Restriktionen gegen „die da unten“ von 85 Prozent der Befragten begrüßt werden. Für die tatsächlichen Umstände und Motive der „Arbeitsverweigerer“ interessiert sich kein Schwein.
Ungerührt wird andererseits hingenommen, dass mittels „Staatsknete“ ein flächendeckendes Lohndumping stattfindet und aus Steuermitteln finanziert wird: 800.000 Arbeitnehmer bekommen so geringe Löhne, dass sie mit Bürgergeld unterstützt werden müssen. Das kostet 7 Milliarden Euro, Tendenz steigend, mit denen der Staat anstelle der Arbeitgeber die Löhne aufstockt. Eine deutliche Mindestlohnerhöhung ist für das Merz-Regime kein Thema. Es würde die Produktionsmittelbesitzer und die arbeitgebernahen Thinktanks verärgern.
Vergleichende Werbung ist in Deutschland verboten. Der Vergleich von Persönlichkeiten anhand ihrer politischen Aussagen hingegen nicht. Stellen wir also gegenüber: Die Ansicht des Sympathieträgers und TV-„Kommissars“ Walter Sittler, vorgebracht auf dem „Roten Sofa“ des NDR:
„Wir haben nicht zu hohe [Sozial-]Ausgaben, sondern zu niedrige Einnahmen. Bei [Bundeskanzler] Kohl betrug der Spitzensatz der Einkommensteuer noch 56 Prozent, und niemand hat gejammert. Heute haben wir 44 Prozent“. [1]
Und die Behauptung eines Bundeskanzlers, dessen politischer Instinkt und soziales Bewusstsein dem der meisten Regenwürmer in nichts nachstehen:
„Wir können uns dieses System, das wir heute so haben, einfach nicht mehr leisten.“
Er meinte natürlich nicht unser kapitalistisches Wirtschafts- und Finanzsystem, sondern unsere Sozialversicherung.
Dass Merz nach diesem Satz, gesprochen auf dem Landesparteitag der CDU Nordrhein-Westfalen, dort nicht ausgelacht wurde und keine faulen Eier auf ihn flogen, ist noch begreiflich. Dass ihn die Tagesschau wörtlich zitierte, ohne seine Behauptung als unverschämt verlogen kenntlich zu machen, darf uns aber auch nicht mehr überraschen. Auf einen Schlag fast eine Billion Euro neue Staatsschulden machen, vorzugsweise zugunsten der Rüstungsindustrie, privatim ein Flugzeug, zwei Villen (in Brilon und am Tegernsee) sowie etliche Millionen Euronen gebunkert haben und dann behaupten, für den rest of the world sei nix mehr übrig: Das erklärt, warum des Kanzlers Sympathiewerte mit der Anziehungskraft eines acht Tage alten Pfannkuchens konkurrieren. Und es erklärt, warum Exkanzlerin Merkel sich den Typen stets vom Leibe hielt.
Alle Statistiken widerlegen den Bundeskanzler: Es gibt keine Explosion der Sozialausgaben. Sie trotzdem zu behaupten, ist propagandistisches Gelaber des Geldadels und seiner Auftragnehmer in Politik und Medien. Die Sozialleistungsquote, das Verhältnis von Sozialausgaben zur Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt, BIP) ist, abgesehen von krisenbedingten Schwankungen, nur geringfügig gestiegen. Deutschland liegt mit 30 Prozent im Mittelfeld der 18 reichsten OECD-Länder.
Die Ausgaben für Arbeitslosengeld und Grundsicherung von Erwerbslosen (Bürgergeld) sind sogar, gemessen am BIP, in den letzten 20 Jahren von 2,8 Prozent auf 1,7 Prozent gesunken. Die Ausgaben für die Renten bewegen sich auf einem ähnlichen Niveau wie in den letzten Jahren. So sieht die Wirklichkeit aus! Aber es gilt: „Wer Panzer finanziert, braucht Sündenböcke.“ Was scheren einen Kanzler der Millionäre schon die sozialen Fakten.
Der Wirtschaftswissenschaftler Adam Smith hat vor 250 Jahren ein bis heute gültiges Gerechtigkeitsprinzip für die Staatsfinanzierung entwickelt. Es sieht vor allem eine (prozentual) gleiche Besteuerung und Abgabenbelastung nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit vor.«
»Multimillionär Merz: Kriegskanzler der Geldaristokratie – „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“. Doch doch, das steht immer noch so im Grundgesetz. Sogar zweimal. Der Fachbegriff dazu: „Sozialstaatsklausel.“ Sie verpflichtet den Staat, seinen Bürgern eine sichere Lebensgrundlage zu bieten. Den reichsten 5 Prozent der Deutschen, 256 (Multi-)Milliardären und knapp 3 Millionen (Multi-)Millionären, gehören 48 Prozent des gesamten Volksvermögens. Andererseits fristen im Land der Dichter und Denker 13 Millionen Menschen ihr Dasein unterhalb der Armutsgrenze. 15,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das Privatvermögen unseres Kanzlers wird vorsichtig auf 12 Millionen Euro geschätzt. Nix Genaues weiß man nicht. Eine Offenlegungspflicht für Regierungspolitiker gibt es sogar in den USA, aber nicht in Deutschland. Von Friedhelm Klinkhammer1 und Volker Bräutigam2.«, 30.10.2025, https://www.nachdenkseiten.de/?p=141274
hören:
Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 bis 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.
Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Redakteur. 1975 bis 1996 Mitarbeiter des NDR, zunächst in der Tagesschau, von 1992 an in der Kulturredaktion für N3. Danach Lehrauftrag an der Fu-Jen-Universität in Taipeh.