Als mich der Anruf des Notars erreichte und er von einer geheimnisvollen Hinterlassenschaft sprach, spürte ich sofort ein Kribbeln im Nacken.
Man sagte mir, es gehe um ein Glück, das wertvoller sein sollte als alles andere auf der Erde.
Statt Freude schrillten in mir sofort die Stimmen meines inneren Teams, als hätte mein Instinkt längst geahnt, dass etwas nicht stimmt.
Das verlassene Grenzhäuschen am Stadtrand wirkte, als hätte es seit Jahrzehnten niemand mehr betreten.
Auf dem staubigen Tisch stand ein halb gegessenes Vurstbrot, das aussah, als hätte der Besitzer den Raum fluchtartig verlassen.
Daneben lag ein Briefumschlag – darin eine verschlüsselte Nachricht und eine rätselhafte Chipkarte.
Durch ein zerbrochenes Dachfenster drang der Wind, der die Kerze flackern ließ und den Raum in gespenstisches Licht tauchte.
Mir wurde klar, dass diese Entdeckung mein ganzes Weltbild verändern könnte – vielleicht sogar für immer.
Doch um an die volle Freude zu gelangen, musste ich mich auf ein gefährliches Spiel einlassen. Und während mein Herz raste, fragte ich mich: Ist dieses Vermächtnis wirklich ein Geschenk – oder ein Fluch?
Bilder erzählen Geschichten und jede Geschichte sagt etwas über den Menschen, der sie erzählt.
Wie lautet deine Geschichte?
Hier kommt meine Geschichte:
Sie waren nur zu achtzehn. Es war ein kleiner Studiengang. Es war der erste Vorlesungstag nach den Semesterferien. Alle saßen bereits im kleinen Hörsaal der Universität. Kurz bevor Frau Dr. Rose den Saal betrat, betrat SIE ihn. Ben traf es wie ein Blitz.
Er hatte die Gabe, die Aura eines Menschen wahrzunehmen. Und diese Aura zog ihn in seinen Bann. Er war gebannt. Sie hatte lange Haare, freundliche, wache Augen, ein Lächeln im Gesicht und Grübchen in den Mundwinkeln. Ihr inneres und äußeres Strahlen erhellte für Ben den Hörsaal. Sie setzte sich zwei Reihen vor ihn, fünf Plätze rechts von ihm. So konnte er sie heimlich ansehen. Heimlich. Denn Ben war der Stille. Der Insichgekehrte. Der Introvertierte. Gleichzeitig war er schüchtern. Er schaute nur, wenn sie nicht schaute.
Noch nie war Ben so leichtfüßig in die Uni gegangen. Obwohl er an nichts anderes mehr denken konnte als an sie, flogen ihm die Inhalte der Vorlesungen nur so zu. Verliebtsein beflügelt. Seine fünf Mitbewohner aus der WG, die auch seine Kommilitonen und mittlerweile seine Freunde waren, bemerkten, wie sich Ben veränderte. Sich positiv veränderte. Er lächelte jetzt oft vor sich hin. Sie bemerkten aber auch die gelegentliche tiefe Traurigkeit in seinem Gesicht.
Eines Abends nach einem gemeinsamen Abendessen am Küchentisch stellten sie ihn zur Rede. Ben druckste herum. Er bekam rote Ohren. Das Bier zum Abendessen öffnete langsam sein Herz und lockerte seine Zunge. Er erzählte seinen Mitbewohnern von seinen Gefühlen für Nicci, die eigentlich Nicole heißt. Von seinen Schmetterlingen. Im Bauch. Von den Flügeln, die an seiner Seele gewachsen waren. Doch sein Mut blieb verkümmert. Er wusste nicht, wie er seine Schüchternheit, seine Unbeholfenheit und seine Kontaktangst überwinden konnte. Seine Mitbewohner kannten Ben und verstanden ihn.
Sie machten einen Schlachtplan. Jeden Abend nach dem Essen übten sie mit Ben. Einer spielte Nicci, ein anderer Ben, und sie spielten alle erdenklichen Möglichkeiten durch, wie Ben Nicci ansprechen könnte. Dann sollte Ben Ben sein, während ein anderer reihum Niccis Rolle übernahm. Sie übten, übten, übten, bis Ben ihnen schließlich versprach, Nicci bei nächstbester Gelegenheit anzusprechen. Bens nächste Nächte waren unruhig. Die Angst nagte an ihm. Ein ums andere Mal ließ er die Gelegenheit verstreichen. In einer der Pausen, als Nicci allein rauchend durch ihr Smartphone scrollte, fasste Ben sich ein Herz. Mit weichen Knien ging er langsam auf sie zu, lächelte unbeholfen und sprach sie mit zitternden Händen an. –
Kurz bevor die Pause endete, ging Nicci noch zur Toilette, und Ben machte sich auf den Rückweg zum Hörsaal. Seine Freunde hatten die Szene gespannt aus den Augenwinkeln verfolgt. Erwartungsvoll schauten sie Ben an. Er strahlte vor sich hin, traute sich nicht, seine Freunde anzusehen, nickte nur und sein Daumen, der aus der Faust ragte, zeigte senkrecht nach oben. Da gab es kein Halten mehr. Seine Freunde freuten sich mit ihm, klatschten, klopften ihm auf die Schulter und riefen „Wow!”. Nur Justin, der nie seinen Hut ablegte, wirkte niedergeschlagen.
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