B.   | dailyprompt

Die heutige Frage ist für mich sehr schwer zu beantworten. An die in der Aufgabe beispielhaft genannten ersten Tage kann ich mich nur noch bruchstückhaft erinnern.

Von meinem ersten Schultag habe ich vor allem Bilder von unzähligen Schultüten vor Augen. Es muss ein besonderer Tag gewesen sein, denn als Fünfjähriger wurde ich monatelang nur mit den Worten begrüßt: „Na, freust du dich schon auf die Schule?” Eine Antwort wurde gar nicht erst abgewartet. Was hätte ich auch schon antworten sollen? Ich kannte die Schule nicht. Auf die Eingangsfrage folgte sofort die bedeutungsschwangere Bemerkung: „Dann beginnt der Ernst des Lebens für dich!” Ich fragte mich, wenn die ersten fünf Jahre meines Lebens schon ernst waren, was dann wohl in der Schule auf mich zukommen würde.

Auch an meinen ersten Tag als Auszubildender kann ich mich nicht wirklich erinnern. Ich weiß nur noch, dass ich Kleidung und Schuhe trug, die ich noch nie zuvor getragen hatte. Ich kam mir verkleidet und lächerlich vor. Ein Akt meiner Emanzipation war es, mich wenige Jahre später für immer vom männlichen Statussymbol Krawatte zu verabschieden. Ich wurde allmählich widerständiger.

Es gibt auch keinen ersten Tag als Elternteil, den ich als besonderen Tag in Erinnerung hätte. Ich lernte damals die Frau kennen und lieben, die ich heute respektvoll, aber distanziert als die Mutter meiner Kinder bezeichne. Sie brachte eine dreijährige Tochter mit in die Beziehung, sodass ich nach und nach in die Vaterrolle hineinwachsen durfte.

Ich habe intensiv nachgedacht, aber mir fällt kein erster Tag ein, der nicht so banal gewesen wäre, dass ich davon erzählen könnte. Ich könnte diesen Blogbeitrag jetzt mit der Bemerkung schließen, dass dies mein erster Tag ist, an dem mir zum Daily Prompt nichts eingefallen ist.

Und doch haben wir vermutlich alle einen ersten Tag, an dem wir aus einseitiger Verliebtheit versucht haben, gegenseitige Liebe zu entwickeln. Diese Geschichten sind schambehaftet, gerade wenn sie mit einer aufblühenden Sexualität verbunden sind. Ich versuche es einmal.

Was die Menschwerdung und das Menschsein betrifft, bin ich ein sogenannter Spätentwickler. Deshalb hatte ich meine erste Freundin und den ersten Sex als Twentysomething.

Ich kannte B. …

der Tag an dem ich
meine Unschuld verlor und
es sichtlich genoss

… schon viele Jahre, wir sangen gemeinsam in einem Jugend- und jungen Erwachsenenchor. Der Kern des Chores unternahm außerhalb der Chorproben und Auftritte bzw. Konzerte viele Freizeitaktivitäten zusammen. Wir waren eine Clique.

An diesem ersten Tag, von dem ich erzähle, kannten B. und ich uns bereits seit sechs Jahren. Wir hatten morgens in einem evangelischen Gottesdienst mit dem Chor gesungen und anschließend mit unserer Clique einen Ausflug unternommen, der bis zum Einbruch der Dunkelheit dauerte. B. bot mir an, mich mit ihrem Auto nach Hause zu fahren, und ich nahm dankbar an.

Während dieser Fahrt verließ ich meine Komfortzone und offenbarte B. – mit bis zum Hals schlagendem Herzen, zittrigen Knien und zittriger Stimme – meine Gefühle für sie. Ich hatte große Angst, dass B. mich auslachen und zurückweisen würde. Im Gegenteil: Ich rannte bei ihr offene Türen ein. Es war, als hätte sie auf diesen einen Moment gewartet.

Sie hielt an, wir umarmten uns und ich gab und bekam meinen ersten langen „richtigen” Kuss. Erstaunlicherweise funktionierte es und es fühlte sich ganz selbstverständlich an. Sie fragte mich, ob ich noch mit zu ihr kommen möchte. Klar wollte ich. Sie wendete, und wir fuhren zu ihr. Die Garage öffnete sich per Fernbedienung. Wir fuhren hinein. Das Garagentor schloss sich. Ein kleines Deckenlicht leuchtete permanent. Die Garage war beheizt – ich sah den Heizlüfter rotieren.

========== Triggerwarnung: es werden moderat erotische/sexuelle Handlungen beschrieben. ==========

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„Der Verrat des Lichts.“ oder „Drohnen suchen nach Lichtquellen.“

Früher wachte ich mit dem Sonnenlicht auf, das durch das Fenster schien. Jetzt weckt mich eine Rakete, die zwei Wohnblöcke entfernt einschlägt. Es gibt keinen Morgen mehr – keine Arbeit, keine Schule, keine Mahlzeiten. Es gibt nur noch den nächsten Augenblick und die Angst, dass wir ihn nicht überleben werden.

Sogar der Himmel über Gaza hat sich verändert. Die Sonne geht auf, aber sie wärmt nicht mehr. Die Nacht senkt sich über uns, aber sie bietet keine Ruhe.

Was wir Schlaf nennen, ist kein Schlaf mehr. Es ist Müdigkeit mit einem geöffneten Auge. Wir packen unsere Taschen. Wir lassen unsere Kinder vollständig angezogen. Jedes Summen über uns lässt uns den Atem anhalten. Wenn es länger als zehn Minuten still ist, entspannen wir uns ein wenig.

In der vierten Nacht des Oktobers 2023[1] leuchtete der Himmel auf. Ein Feuergürtel peitschte über unsere Straße. Ich lag neben meinem Bruder auf dem Boden. Wir hörten Kreischen. Dann nichts mehr. Dann Staub und Schreien. Ich sah, wie die Brust meines Cousins aufgerissen wurde. Sein Körper fiel zu Boden und machte ein Geräusch wie kein anderes. Mein Bruder und ich krochen unter Glasscherben hervor. Die Hälfte des Gebäudes auf der anderen Straßenseite war verschwunden. Wir hatten keine Zeit, meinen Cousin ordentlich zu begraben. Keine Tücher. Kein Licht. Zum ersten Mal stellte ich die Gerechtigkeit meines Überlebens in Frage. Etwas in mir erstarrte und zersplitterte dann. Ich weinte nicht. Ich blieb gebrochen. Schließlich hörte der Krieg nicht auf. Reparatur würde nur darauf vorbereiten, erneut zerbrochen zu werden.

In einem Schutzraum weinte ein Kind um seinen Vater, der am Morgen zuvor gestorben war. Seine Mutter hielt ihn mit steinernen Armen fest, stumm und mit starrem Blick. „Mama, warum weinst du nicht?“, fragte das Kind. Die Mutter brach zusammen. Ich wünschte, ich hätte es nicht gesehen, wie ihr Gesicht in sich zusammenfiel.

Früher habe ich unter einer Lampe gelernt. Ich habe Bücher gelesen. Ich habe vom Leben geträumt. Jetzt lässt mich das Leuchten meines Handys zusammenzucken. Eine Kerze ist ein Ziel. Ein Streichholz ein Verrat. Die Drohnen suchen nach Lichtquellen. Ich erinnere mich an die Nacht, in der die Taschenlampe eines Nachbarn ihn sein Zuhause gekostet hat. Das Flugzeug kreiste. Dann kam das Licht. Dann das Ende.

Wir verdecken unsere Fenster. Wir sprechen flüsternd. Ich lerne jeden Winkel unserer zerstörten Wohnung auswendig. Die Anzahl der Schritte zwischen dem Flur und dem Waschbecken. Das Muster der Risse auf dem Boden. Den Geruch von Verbranntem in der Ferne.

Kinder spielen Stille-Spiele. Ich greife nach der Hand meiner Mutter, um mich zu vergewissern, dass sie da ist. Wir stellen keine Fragen mehr. Die Antworten sind erbarmungslos: Nirgendwo ist es sicher, niemand ist unversehrt.

Im Dezember 2023 suchten wir Schutz in einem Industriegebiet. Panzer umzingelten uns. Kein Ausweg. Keine Zukunft. Mein Vater sagte: „Rennt jetzt.“ Ich sah den Staub unter den Ketten der Panzer. Ich roch ihren Stahl. Ich weiß nicht, wie wir es geschafft haben – aber das ist alles, was mir geblieben ist: die schlichte Tatsache, dass wir überlebt haben, und das Gefühl der Schuld, dass es bei anderen nicht so war.

Ich habe Angst vor Licht. Ich habe Angst vor Dunkelheit. Ich habe Angst vor Stille. Ich fürchte mich vor Lärm. Wenn die Explosionen aufhören, wird meine Angst stärker. Die Stille ist nur ein Vorspiel. Jede Sekunde fühlt sich wie Warten an. Worauf warten wir? Wir wissen es nicht.

Am Abgrund jedes Augenblicks sprechen zwei Stimmen zu mir. Die eine sagt: „Du hast überlebt.“ Die andere: „Es fängt bald wieder an.“

Ein Teil von mir möchte an den Morgen glauben. Ein Teil von mir bereitet sich auf eine weitere Nacht vor.

Früher kannte ich Zeit als Kalender, als Plan, als Ziel. Jetzt ist Zeit nur noch etwas, das wir ertragen.

Manchmal schließe ich die Augen und stelle mir einen Sonnenaufgang vor, der Kaffee mit sich bringt, nicht Angst. Ich träume davon, gedankenlos ein Fenster zu öffnen, um die Brise zu spüren; davon, ein Buch zu lesen ohne das Geräusch von Drohnen über mir. Ich träume von Nächten in Gaza, wie sie einmal waren: Verliebte, die durch vom Mond erhellte Straßen spazieren, spielende Kinder. Aber ich glaube diesen Träumen nicht.

Ich frage mich, wer ich sein werde, wenn das hier endet; ob ich jemals wieder ohne Angst neben einer Lampe sitzen werde; ob die Kinder meiner Kinder jemals wieder dem Licht vertrauen werden. In Gaza gibt es keine Metaphern. Es gibt nur das, was verschwunden ist, und das, was bleibt – dieses Leben zwischen Schatten und die Erinnerung an ein anderes Licht.

12.08.2025; von Abdullah Hany Daher, palästinensischer Schriftsteller und Journalist aus Gaza

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Englisch in der Zeitschrift Jewish Currents. Übersetzung: Maike Gosch, NachDenkSeiten

ins Handeln kommen

…die Existenz, so gering sie sich gestaltet, bleibt etwas zu Leistendes. Das bloße Sein ist kein Verdienst. Das menschliche Vermögen, das Dasein durch Arbeit zu gestalten, bietet einen Raum, um zu etwas zu gelangen, einen Zustand herzustellen, den die Gattung in ihrer Unbeholfenheit das Glück nennt. Und die menschengemachten Verhältnisse, die diesen kleinen Gestaltungsspielraum versperren, die müssen verändert werden, um diesen Augenblick der Erfüllung zu ermöglichen. Das geht nur durch eigenes Handeln….

Dr. Gerhard Mersmann, Ostenmauer – 52. Auf der Bank, 20.08.2025