… GvB: Was muss ein Mann haben, um Sie verführen zu können?
Rampling: Da muss ich erst mal was trinken. Aber ich werde Ihre Frage beantworten.
GvB: Wir haben es nicht eilig, nehmen Sie sich Zeit.
Rampling: Er muss zuhören. Das ist alles. Ich muss fühlen, dass ich gehört werde. Ich rede nicht sehr viel, aber wenn ich etwas sage, dann möchte ich gehört werden. Und wenn man gehört wird, wird man vielleicht auch verstanden – auch außerhalb der Worte, zwischen den Zeilen. Und nur dann kann man eine wirklich reiche, intime Beziehung haben.
GvB: Auf welchen Körperteil gucken Sie bei einem Mann zuerst?
Rampling: Ich weiß gar nicht, ich fühle den Menschen. Ich schaue nicht sehr viel. Wahrscheinlich, weil man mich mein ganzes Leben zu viel angeschaut hat. Mit zwanzig merkte ich, dass ich sehr fotogen und hübsch war. Und damit zog ich die Menschen an. Nicht weil ich ein anziehender Mensch war, sondern eben über das Bild. Darunter hat meine eigene Fähigkeit zu sehen irgendwie gelitten. Ich kehrte mich nach innen und entschloss mich, Dinge nur noch zu fühlen. Also: Ich spüre einen Mann, ich sehe ihn nicht wirklich.
GvB: Wie würden Sie das Gefühl beschreiben, verliebt zu sein? Tausende von Dichtern haben das ja versucht.
Rampling: Wie Sie sagen: Die Kunst liefert einfach die allerschönsten Beschreibungen, seit den ersten Höhlenmalereien. Bei mir steigert das Verliebtsein die Wahrnehmung um ein Vielfaches. Alles wird klarer: Farben, Formen, Zeichen, Gefühle – die Sinne werden messerscharf.
GvB: Das klingt wie Kokain.
Rampling: Aber diese Euphorie hält nicht an. Und wenn sie abklingt, muss sie ersetzt werden durch das Gefühl, absolut beschützt zu sein. Für mich ist also Verliebtsein in der letzten Konsequenz das Gefühl, beschützt zu sein und selbst zu beschützen. Dieser ultimative Schutz, der bei mir Voraussetzung für wirkliche Liebe ist, macht frei. Und das will ich auch dem anderen schenken, der mir diese Gefühle entgegenbringt.
GvB: Das Geschenk der Freiheit, vielleicht das wichtigste.
Rampling: Ja – das ist dann bedingungslose Liebe.
GvB: Da fällt mir ein Satz aus Ihrem wunderbaren Film Unter dem Sand ein. Da sagen Sie: »Man ist niemals zu alt, um zu lieben.« Ein wichtiger Satz, denn genau darauf kommt es an, das zu erkennen.
Rampling: Natürlich. Wenn wir uns das Leben als einen Zyklus von vierundzwanzig Stunden vorstellen: Wir wachen morgens auf, das heißt, wir werden geboren, und dann gehen wir unweigerlich auf den Tod zu, der eintritt, wenn wir nachts einschlafen. So sehe ich mein Leben. Durch die Liebe kommt man erst ins Leben. Das ist die Reiseroute, denn Liebe ist Leben. Wenn man wirklich liebt, dann liebt man alles, egal ob es lebt oder nur Materie ist. Die Lebensreise hat nur dann ein Ziel, wenn man in diesem Sinne lieben kann. …
04.02.2004, Gero von Boehm im Gespräch mit Charlotte Rampling, aus: Gero von Boehm „Begegnungen – Menschenbilder aus drei Jahrzehnten“, Collection Rolf Heyne GmbH & Co. KG, München, ISBN 978-3-89910-814-9
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