Ines. oder For today, I am inconsolable …

Sie war meine Küchenfee in meinem Lieblingscafé. Jeden Freitag beginne ich dort mein Wochenende, ich schöpfe Kraft beim Lesen meiner Zeitschriftenabonnements und genieße die leckeren Salate, einen frisch gebackenen Kuchen und den selbst gerösteten Kaffee. Irgendwann, in den Sommerwochen, brachte sie mir meinen Salat persönlich an den Tisch, obwohl sie sonst immer nur im Hintergrund in der Küche arbeitete. Mit einem Lächeln im Gesicht und strahlenden Augen. Anfangs war ich leicht irritiert, doch irgendwann genoss ich es und spürte, wie dabei die Sonne aufging. Erst zuletzt begannen wir, ein Gespräch zwischen Tisch und Küche zu führen. Uns trennen Jahrzehnte. Wir empfanden das jedoch nicht so. Es blieb dabei.

Heute betrat ich „mein“ Café und T., der Chef und Barista, begrüßte mich wie immer und fügte hinzu: „Heute verabschieden wir Ines. Sie verlässt uns Richtung Heimat.“ Ich war konsterniert und vertiefte mich in meine Zeitschriften.

Nach einer Viertelstunde stand Ines an meinem Tisch, hielt die Salatschüssel „Avocadoliebe” in der Hand und sagte, dass ich es wohl schon erfahren hätte, dass sie fünfhundert Kilometer zurück in ihre Heimatstadt zieht. Aus Heimweh, kurzfristig entschieden. Aus diesem Grund habe sie heute den Salat gekrönt, sagte sie, während sie die Schüssel vor mir abstellte. Ich war sichtlich gerührt. Wir unterhielten uns noch ein paar Minuten und verabschiedeten uns schließlich mit einer Umarmung.

Heimat ruft Ines
Avocadoliebe bleibt
die Sonne geht auf

… but tomorrow is a new day.

Offen und geduldig warten.| Citation.

Nicht müde werden,
sondern dem Wunder leise,
wie einem Vogel,
die Hand hinhalten

Hilde Domin, deutsche Lyrikerin, Zuversicht, 1968, aus: Ich möchte bei Ihnen leben (Gedichtband)

Sie schrieb diese Zeilen in dem Gedicht „Zuversicht“, das 1968 in ihrem Gedichtband „Ich möchte bei Ihnen leben“ erschien. Domin, die als Jüdin aus Deutschland fliehen musste und lange im Exil lebte, verarbeitete in ihrer Lyrik oft Themen wie Heimat, Sprache, Flucht und Hoffnung. Das Zitat ist Ausdruck ihrer beharrlichen Zuversicht und ihrer Überzeugung, dass man offen und geduldig auf das Wunderbare im Leben warten und es empfangen muss.