Enteignung der Enteigner. | Zitat

» […] Lenin schrieb zu seiner Zeit eine Abhandlung mit dem Titel „Der Imperialismus als höchstens Stadium des Kapitalismus“. Darin befasste er sich vor allem mit den zunehmend die ganze Gesellschaft umfassenden Wirtschaftsformen, die im Gegensatz zum privaten Eigentum standen.

Dieser Zustand war zu seiner Zeit in Ländern wie Deutschland, England und Frankreich fortgeschritten, allerdings nicht in Russland. Dennoch nutzte er die Erkenntnis, um seine Anhängerschaft davon zu überzeugen, dass die Zeit reif sei für die Expropriation [Anm.: Enteignung] der Expropriateure.

Revolutionstaktisch war ihm das schließlich auch gelungen. Die These sei allerdings erlaubt, dass alles, was in dieser Schrift stand und aus ihr folgte, gänzlich anders verlaufen wäre, hätten die damaligen Zustände die Form gehabt, über die sie heute verfügen.

Die Eigentumsverhältnisse unserer Tage sind das kurioseste, was Kapitalismus und Imperialismus je hervorgebracht haben. Marxens häufig kolportierter Satz, dass etwas mit einer Gesellschaft, die ungeheure Dimensionen von Reichtum schafft, aber nicht in der Lage sei, die Armut zu verringern, nicht stimmen könne, war nie zutreffender als heute. […] «

~ Dr. Gerhard Mersmann, Imperialismus ohne Schminke, 12.12.2025, https://form-7.com/2025/12/12/imperialismus-ohne-schminke/

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Zusätzliche Zeit würde uns geraubt werden.

Mein erster Gedanke war: „Für was habe ich zu wenig Zeit?” Falscher Gedanke. Es gibt keine Zeit. Die Einteilung in Jahre, Monate, Tage, Stunden, Minuten und Sekunden ist willkürlich. Sie dient der Synchronisation unserer Gesellschaften und Beziehungen.

Zu einer ähnlichen Frage schrieb ich im Übrigen, dass ich der Meinung bin, dass es die Zeit gar nicht gibt. Sie ist ein menschengemachter Maßstab. Ich kenne das Phänomen, dass meine Erinnerungen an Ereignisse gleich präsent sind. Ereignisse, die Jahrzehnte zurückliegen, sind mir so präsent, als wären sie „gestern” geschehen.

Zeit ist meiner Meinung nach abhängig von der eigenen Perspektive. Was würde Zeit beispielsweise für eine Schnecke, eine Eintagsfliege, einen Grönlandhai oder eine Zwerggrundel bedeuten? Gäbe es außerirdisches Leben und dauerte ein Tageslauf für die Außerirdischen 100 Jahre unseres Zeitmaßstabes, wie würden sie unser Leben betrachten? Wären wir …

Kapitalismus
Raubtierkapitalismus
ihm gehört die Zeit

… für sie wie Ameisen?

Wir haben uns irgendwann bewusst dafür entschieden, im Kapitalismus, in der Marktwirtschaft zu leben. Wir lehnen beispielsweise die Gemeinwohlökonomie bewusst ab und empfinden ein Grundeinkommen als unangenehm. Deshalb brauchen wir uns über die heutige Frage keine Gedanken zu machen.

Unser vom politischen und gewerkschaftlichen Einfluss nahezu befreites Wirtschaftsleben wird dafür sorgen, dass wir statt acht Stunden täglich 14 Stunden arbeiten müssen. In Schichten, zeitversetzt. Alles wäre immer in Betrieb.

Ein Leben ohne Schlaf im Kapitalismus wäre ein Katalysator für psychische Erkrankungen und die endgültige Ausbeutung der Erde. Die wachsende Aggressivität würde entweder in einem großen, alles vernichtenden Krieg oder in Kleinkriegen „Jeder gegen jeden” enden.

Allein der Gedanke an diese beschriebene Dystopie raubt mir den Schlaf.

Ich brauche nicht keinen Schlaf, sondern mehr Schlaf.

Täglicher Schreibanreiz
Wenn du keinen Schlaf bräuchtest, was würdest du mit all der zusätzlichen Zeit machen?

Dem System innewohnend.

» […] Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen. […] «

Jean Jaurès

~ Hintergrund 9-10-2025, Seite 75, „»Es muss die Systemfrage gestellt werden!«“, hintergrund.de

Dieses Zitat stammt von dem französischen Sozialisten und Pazifisten Jean Jaurès (1859–1914).

Er äußerte diesen Gedanken in einer Rede im Jahr 1895. Das Zitat zählt heute zu den bekanntesten Argumenten der antimilitaristischen Linken und wird häufig im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg zitiert.

Hier sind einige Hintergründe zur Einordnung:

  • Der genaue Wortlaut: Im französischen Original lautet der Satz meist:

« Le capitalisme porte en lui la guerre comme la nuée porte l’orage. »

Wörtlich übersetzt bedeutet orage eigentlich „Gewitter“ oder „Sturm“. Im Deutschen hat sich jedoch die poetischere Übersetzung mit dem „Regen“ eingebürgert und festgesetzt.

  • Der historische Kontext: Jaurès warnte unermüdlich vor der durch die imperialistische Konkurrenz der europäischen Mächte entstandenen Kriegsgefahr. Tragischerweise wurde er am 31. Juli 1914, nur wenige Tage vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, von einem französischen Nationalisten in einem Pariser Café ermordet, da er sich bis zuletzt für eine diplomatische Verständigung mit Deutschland eingesetzt hatte.

1. Wer war Jean Jaurès?

Jean Jaurès war nicht nur ein Politiker, sondern die Symbolfigur des französischen Sozialismus. Er war ein brillanter Rhetoriker, Philosoph und Historiker.

  • Seine Mission: Er versuchte, die französische Arbeiterbewegung zu einen und gleichzeitig eine Brücke zum deutschen Proletariat zu schlagen. Er war davon überzeugt, dass ein Generalstreik der Arbeiter in Deutschland und Frankreich einen Krieg verhindern könnte.
  • Sein Vermächtnis: Er gründete im Jahr 1904 die bis heute existierende Zeitung L’Humanité.

2. Der Kontext des Zitats: Imperialismus und Konkurrenz

Warum verglich Jaurès den Kapitalismus mit einer Regenwolke?

Um die Jahrhundertwende befanden sich die europäischen Großmächte in einem aggressiven Wettlauf um Kolonien in Afrika und Asien. Jaurès argumentierte, dass dieses Wirtschaftssystem zwangsläufig zu Konflikten führen müsse.:

  1. Absatzmärkte: Die Industrienationen brauchten ständig neue Märkte.
  2. Ressourcen: Der Hunger nach Rohstoffen löste Konflikte in der Peripherie aus.
  3. Ablenkung: Nationale Konflikte wurden oft genutzt, um von sozialen Problemen im Inneren abzulenken.

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Das Zitat war also eine Warnung: Solange die wirtschaftliche Konkurrenz unreguliert bleibt, ist ein militärischer Konflikt unvermeidbar – wie ein Naturgesetz (die Wolke und der Regen/Sturm).


3. Das tragische Ende: Der Mord im Café du Croissant

Der Tod von Jean Jaurès wird in der Historiografie oft als der erste „Schuss“ des Ersten Weltkriegs bezeichnet oder zumindest als das endgültige Erlöschen der Hoffnung auf Frieden.

  • Das Datum: 31. Juli 1914. Die Welt stand bereits am Abgrund – das Attentat von Sarajevo lag einen Monat zurück –, doch die Kriegserklärungen der Großmächte waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig ausgesprochen.
  • Die Tat: Jaurès saß im Café du Croissant in Paris beim Abendessen. Er wollte am nächsten Tag einen letzten flammenden Artikel gegen den Krieg schreiben. Doch ein junger Nationalist namens Raoul Villain schoss durch das offene Fenster und tötete ihn sofort.
  • Die Folge: Mit Jaurès’ Tod erlosch der Widerstand der französischen Linken gegen den Krieg. Es folgte die Union sacrée (der Burgfrieden), bei der sogar die Sozialisten dem Krieg zustimmten.

4. Weitere hellsichtige Zitate aus dieser Epoche

Jaurès war jedoch nicht der Einzige, der das Unheil kommen sah oder die Situation treffend analysierte. Hier sind drei weitere Perspektiven aus der Zeit des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs:

Sir Edward Grey (Britischer Außenminister)

Am Vorabend des britischen Kriegseintritts im August 1914 äußerte er einen der berühmtesten Sätze der Geschichte.:

„In ganz Europa gehen die Lichter aus; wir werden sie in unserem Leben nie wieder leuchten sehen.“ (The lamps are going out all over Europe: we shall not see them lit again in our lifetime.)

Rosa Luxemburg (Deutsche Sozialistin)

Sie teilte Jaurès’ antimilitaristische Haltung. Ihr berühmtes Diktum (eigentlich ein Rückgriff auf Engels) während des Krieges lautete::

„Entweder Übergang zum Sozialismus oder Rückfall in die Barbarei.“ Dies drückte die totale Zerstörungskraft des modernen Krieges aus.

Helmuth von Moltke (Chef des deutschen Generalstabs)

Selbst das Militär ahnte, dass dies kein kurzer Krieg werden würde. So warnte Moltke den Kaiser im Jahr 1914 (wenn auch vergeblich), dass dieser Krieg nicht wie frühere Kabinettskriege sein werde.:

„Es wird ein Volkskrieg werden, der nicht eher beendet sein wird, als bis die eine oder andere Seite am Boden liegt.“


Jaurès’ Analyse, dass wirtschaftliche Konkurrenz ohne politische Kontrolle zu Konflikten führt, wird auch heute noch häufig in geopolitischen Debatten herangezogen.