Filmtipp | Emilia Pérez | Sehenswert

Der Film „Emilia Pérez” von Jacques Audiard ist eine ungewöhnliche Mischung aus Musical-Thriller, Sozialdrama und Telenovela, die im Umfeld des mexikanischen Drogenbandenkriegs spielt.

Wer ein Faible für Genre-Mixes hat, kommt hier voll auf seine Kosten. Obwohl der Film Leichtigkeit vermittelt, ist er keine Komödie. Audiard hat einen Ton und eine Form gefunden, die das Wissen um die mehr als 100.000 verschwundenen Mexikanerinnen und Mexikaner erträglich macht. Die seltenen, aber dramaturgisch notwendigen Gewaltdarstellungen wurden dezent inszeniert, sodass sich auch gewaltsensible Menschen den Film anschauen können. Die Gesangs- und Tanzeinlagen sind genial in den Film und die Handlung eingewoben. Ich musste die Untertitel einblenden, um die Texte der Gesangseinlagen zu verstehen (YouTube). Ich sehe Jacques Audiards Filme gerne, da er hochspannende Momente kreiert und die Schauspielerinnen und Schauspieler dazu bringt, Gefühle nicht zu spielen, sondern sie vor der Kamera zu durchleben.

Hier eine allgemeine Zusammenfassung aus mehreren Filmkritiken:

Die Handlung:

Im Zentrum steht die überqualifizierte, aber unterbezahlte Anwältin Rita Moro Castro (gespielt von Zoe Saldana), deren Klienten die grauen Eminenzen der mexikanischen Drogenclans sind. Ihr wird ein lukrativer, aber riskanter Job angeboten. Der gefürchtete Narco-Boss Juan „Manitas“ Del Monte (Karla Sofía Gascón) entführt sie, um ihr seine Pläne zu offenbaren. Manitas will aus dem Verbrechermilieu aussteigen und endlich als Frau, Emilia Pérez, leben, da er sich tief im Inneren schon immer als Frau fühlte. Rita soll diesen Prozess der Geschlechtsangleichung juristisch und logistisch begleiten, Manitas‘ Tod vortäuschen und seine ahnungslose Ehefrau Jessi (Selena Gomez) und die Kinder in Sicherheit bringen.

Die Transformation und ihre Folgen

Die Transformation zu Emilia gelingt und Emilia versucht, ihre gewalttätige Vergangenheit durch Wiedergutmachung zu sühnen. So gründet sie unter anderem eine Stiftung für die Opfer der Kartellkriminalität. Trotz des Neuanfangs holt sie die Sehnsucht nach ihrer Familie ein. Sie bittet Rita, die inzwischen wohlhabend ist, um Hilfe, um Jessi und die Kinder aus dem Exil in der Schweiz zurück nach Mexiko zu holen. Dabei gibt sich Emilia als Manitas‘ ihr unbekannte Cousine aus. Diese Konstellation führt zu einem absurden Versteckspiel und einem Familiendrama, in dem die Frage aufgeworfen wird, ob eine Person ihre schlechten Wesenszüge und ihre Vergangenheit wirklich abstreifen kann. Dies wird in einer Szene der Eifersucht und Wut Emilias thematisiert. Parallel dazu finden auch Rita und Jessi auf ihre Weise zu einer neuen Selbstermächtigung.

Form und Stil

Das Ungewöhnliche an diesem Film ist, dass die Geschichte in das Genre des Musicals eingebettet ist, mit organisch wirkenden, teils chansonartigen Gesangs- und Tanznummern. Die Musik von Camille und Clément Ducol spielt eine zentrale Rolle. Der Film wurde in einem Studio in Paris gedreht und kaschiert das Artifizielle nicht, sondern stellt es bewusst zur Schau. Er wagt einen Spagat zwischen der harten politischen Realität des Drogenkriegs und der Musicalbühne.

Auszeichnungen und Kritik

„Emilia Pérez“ wurde in Cannes mit dem Preis der Jury und dem kollektiven Darstellerpreis für das gesamte weibliche Ensemble (Karla Sofía Gascón, Zoe Saldaña, Selena Gomez und Adriana Paz) ausgezeichnet. Insbesondere die spanische Trans-Schauspielerin Karla Sofía Gascón wurde für ihre Doppelrolle als Manitas/Emilia gefeiert. Der Film wurde von Frankreich ins Oscarrennen geschickt. Es gab jedoch auch Kritik, unter anderem vom Queer-Theoretiker Paul B. Preciado, der Audiard vorwarf, gefährliche Stereotype über Transpersonen zu transportieren. Trotz mancher Kritikpunkte wird der Film als faszinierendes, vielschichtiges Kinoexperiment und als gelungene, wilde Genremischung beschrieben.